Matthias Bergmann
Dipl.-Ing. Landespflege, Zertifizierter Waldpädagoge, Obstbaumfachwart
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Historische Kulturlandschaft Upstalsboom


Die historische Kulturlandschaft Upstalsboom liegt mitten in Ostfriesland, westlich der Stadt Aurich im Grenzbereich der Gemeinde Ihlow. Es handelt sich um eine Geestlandschaft, in deren Mittelpunkt sich ein ehemaliger nacheiszeitlicher See, das Doove Meer (ein sogenannter Pingo, heute Kesselmoor) befindet, sowie direkt benachbart mit 5 m ü. NN der höchste Punkt der Umgebung: der Upstalsboom. Rätselhaft ist der Ursprung des Upstalsbooms, der bis heute manches Geheimnis bewahrt hat. Noch vor der frühen Bronzezeit (2.200 – 1.600 v. Chr.) entstand am Upstalsboom ein Hügelgrab. Steinartefakte belegen eine frühere Besiedlung in diesem Bereich. Seit dem Ende der Bronzezeit (800 v. Chr.) scheinen mindestens 1000 Jahre vergangen zu sein, bevor der Höhenrücken wieder besiedelt wurde. Das markante Gelände des Upstalsboom war im Mittelalter (6. – 15. Jahrhundert) nicht nur über Landwege, sondern auch über einen kleinen Wasserlauf, die Ehe, von der Ems her erreichbar. Dieser verkehrsgünstig gelegene und begrenzte Sandrücken bildete und bildet auch heute noch eine natur- und siedlungsräumliche Einheit.

Vom Anfang des 13. Jahrhunderts bis in das folgende hinein haben hier Versammlungen von Abgeordneten der friesischen Seelande zur Gesetzgebung und Rechtsprechung stattgefunden. Hierdurch ist der Upstalsboom geradezu das Symbol für die ´friesische Freiheit´ geworden. Die autonomen, genossenschaftlich gestalteten Landesgemeinden Frieslands stellten einen Sonderweg in der mittelalterlichen Gesellschaft dar, boten ein durchaus vorbildhaftes Gegenmodell zu der allgemein verbreiteten Gesellschaftsstruktur. Diese historische Singularität hat nicht nur die Struktur des Küstenraumes zwischen Zuidersee und Unterweser, sondern auch die Mentalität seiner Bewohner nachhaltig geprägt und wirkt sich bis heute identitätsstiftend aus.

Die Besiedlung der Kulturlandschaft um den Upstalsboom führte zu mehreren sogenann-ten Gasten, die von den ersten Wallhecken als Schutz vor dem freilaufenden Vieh der Allmenden eingefriedet wurden. Infolge der jahrhundertelangen Plaggenwirtschaft (´ewiger Roggenanbau´) entstanden die auch archäologisch sehr bedeutsamen Plaggeneschböden mit teilweise mehr als einen Meter mächtigen Humusschichten. Diese sind zudem wichtige Kohlenstoffspeicher.

Mit dem Urbarmachungsedikt des preußischen Königs Friedrich II. vom 22. Juli 1765 für Ostfriesland entstanden die sogenannten Kampwälle durch die Aufteilung der Allmen-den. 1833 wurden zur Verschönerung des Upstalsboom und zum Gedenken an die vor ca. 500 Jahren zuletzt stattgefundenen Upstalsboom-Versammlungen an der höchsten Stelle eine steinerne Pyramide als Denkmal erbaut und eine kleine Parkanlage gestaltet. Park und Gedenkstätte gehören heute der Ostfriesischen Landschaft und sind als Land-schaftsschutzgebiet ausgewiesen (AUR 005 Upstalsboom und Umgebung, Größe 6 ha). Die Pyramide gilt heute als das Symbol für die friesische Freiheit.

In dem ca. 400 ha großen Gebiet im Umkreis von etwa einem Kilometer um den Upstalsboom entstand in den letzten Jahrhunderten eine der dichtesten und am besten erhaltenen Wallheckenlandschaften Deutschlands. Die meisten Flurstücksgrößen liegen bei etwa 0,5 – 1,5 Hektar, zahlreiche Parzellen sind sogar nur 20-30 m breit. Der besondere Wert dieser Wallheckenlandschaft liegt einerseits in der hohen Wallheckendichte: Im abgegrenzten Gebiet liegen noch ca. 50 km Wallhecken. In den letzten 100 Jahren verschwanden lediglich 10 – 15 % der Wallhecken.

Damit ist die Wallheckenlandschaft um den Upstalsboom nahezu vollständig erhalten und weist eine über Jahrhunderte reichende Kontinuität auf. Im Vergleich zu anderen Wallheckengebieten ist die Landschaft zudem geprägt durch einen hohen Anteil an sehr alten (bis zu 1000 Jahre) Gastringwällen. Auf dem Luftbild ist dies sehr deutlich an den unregelmäßigen, meist krummen Strukturen erkennbar. Auf diesen zahlreichen Gasten befinden sich bodenkundlich und archäologisch wertvolle Plaggeneschböden.

In dem Gebiet um den Upstalsboom wurden noch ein Dutzend weitere eiszeitliche Pingos entdeckt und derzeit untersucht. Ein Pingo (Plural: Pingos; Inuktitut für Hügel) ist eine isoliert stehende, rundliche Bodenerhebung (bzw. ein Hügel) in Gebieten mit Permafrost, die durch eine im Boden befindliche Eislinse entsteht. Ein Pingo besteht aus einem Eiskern (einer Eislinse aus reinem Eis) und dem darüber lagernden, durch die Eislinse angehobenen Erdreich. Pingos bildeten Gewässer aus, die meist später vermoorten. Die erhöht liegenden, hochwassersicheren Ränder wurden bereits in frühester Zeit besiedelt. Größte Pingo-Ruine ist im Gebiet das Doove Meer, an dem von der Ostfriesischen Landschaft bereits Pollenanalysen durchgeführt wurden. Auf ihrem mit 5 m ü. NN höchsten Randpunkt liegt der Upstalsboom. Unter anderem wird vermutet, dass der Ort Rahe auf eine Besiedlung eines erhöhten Pingorandes zurückgeht. Aufgrund zahlreicher historischer Funde und der besonderen geologischen Struktur der Landschaft werden in dem gesamten Gebiet noch zahlreiche weitere urgeschichtliche Siedlungsstätten vermutet.

Diese kleinteilige Mosaiklandschaft wird auch heute noch von der Grünlandnutzung dominiert. In den letzten Jahrzehnten sind zudem vielfältige Maßnahmen zur ökologischen Weiterentwicklung dieser Landschaft durchgeführt worden. Ehemals beseitigte Wallhecken wurden durch neue ersetzt (bis heute 3348 m) und einige der alten durch das Wallheckenprogramm der Ostfriesischen Landschaft gepflegt. In der lehmigen Eheniederung wurden zahlreiche kleinere und auch größere naturnahe Flachgewässer angelegt. Außerdem entstanden etliche neue Streuobstwiesen mit mehr als 300 Hochstämmen aus über 80 alten regionalen Sorten. Zu dieser lebendigen Kulturlandschaft gehören auch ein Arche-Hof mit alten ostfriesischen Haustierrassen und ein Bio-Sanddornanbau.

Die etwa 450 ha große historische Kulturlandschaft wird begrenzt durch die Wasserläufe Sandhorster Ehe, Ringkanal und den Ems-Jade-Kanal sowie die Siedlungsgebiete der Stadt Aurich. Mit dem grenzüberschreitend bekannten Upstalsboom, der intakten, mehrere jahrhundertealten und außerordentlich dichten Wallheckenlandschaft, den kulturhistorisch bedeutsamen Plaggeneschböden (Boden des Jahres 2013) sowie der besonderen naturschutzfachlichen Bedeutung werden aus unserer Sicht alle Voraussetzungen zur Ausweisung eines Nationalen Naturmonumentes erfüllt.
 


Matthias Bergmann

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