Referenzgarten
Historische Kulturlandschaft Upstalsboom
Die historische Kulturlandschaft Upstalsboom liegt mitten in
Ostfriesland, westlich der Stadt Aurich im Grenzbereich der Gemeinde Ihlow. Es
handelt sich um eine Geestlandschaft, in deren Mittelpunkt sich ein ehemaliger
nacheiszeitlicher See, das Doove Meer (ein sogenannter Pingo, heute Kesselmoor)
befindet, sowie direkt benachbart mit 5 m ü. NN der höchste Punkt der Umgebung:
der Upstalsboom. Rätselhaft ist der Ursprung des Upstalsbooms, der bis heute
manches Geheimnis bewahrt hat. Noch vor der frühen Bronzezeit (2.200 – 1.600 v.
Chr.) entstand am Upstalsboom ein Hügelgrab. Steinartefakte belegen eine
frühere Besiedlung in diesem Bereich. Seit dem Ende der Bronzezeit (800 v. Chr.)
scheinen mindestens 1000 Jahre vergangen zu sein, bevor der Höhenrücken wieder
besiedelt wurde. Das markante Gelände des Upstalsboom war im Mittelalter (6. –
15. Jahrhundert) nicht nur über Landwege, sondern auch über einen kleinen
Wasserlauf, die Ehe, von der Ems her erreichbar. Dieser verkehrsgünstig gelegene
und begrenzte Sandrücken bildete und bildet auch heute noch eine natur- und
siedlungsräumliche Einheit.
Vom Anfang des 13. Jahrhunderts bis in das folgende hinein haben hier
Versammlungen von Abgeordneten der friesischen Seelande zur Gesetzgebung und
Rechtsprechung stattgefunden. Hierdurch ist der Upstalsboom geradezu das Symbol
für die ´friesische Freiheit´ geworden. Die autonomen, genossenschaftlich
gestalteten Landesgemeinden Frieslands stellten einen Sonderweg in der
mittelalterlichen Gesellschaft dar, boten ein durchaus vorbildhaftes Gegenmodell
zu der allgemein verbreiteten Gesellschaftsstruktur. Diese historische
Singularität hat nicht nur die Struktur des Küstenraumes zwischen Zuidersee und
Unterweser, sondern auch die Mentalität seiner Bewohner nachhaltig geprägt
und wirkt sich bis heute identitätsstiftend aus.
Die Besiedlung der Kulturlandschaft um den Upstalsboom führte zu mehreren
sogenann-ten Gasten, die von den ersten Wallhecken als Schutz vor
dem freilaufenden Vieh der Allmenden eingefriedet wurden. Infolge der
jahrhundertelangen Plaggenwirtschaft (´ewiger Roggenanbau´) entstanden die auch
archäologisch sehr bedeutsamen Plaggeneschböden mit teilweise mehr als einen
Meter mächtigen Humusschichten. Diese sind zudem wichtige Kohlenstoffspeicher.
Mit dem Urbarmachungsedikt des preußischen Königs Friedrich II. vom 22. Juli
1765 für Ostfriesland entstanden die sogenannten Kampwälle durch die Aufteilung
der Allmen-den. 1833 wurden zur Verschönerung des Upstalsboom und zum Gedenken
an die vor ca. 500 Jahren zuletzt stattgefundenen Upstalsboom-Versammlungen an
der höchsten Stelle eine steinerne Pyramide als Denkmal erbaut und eine kleine
Parkanlage gestaltet. Park und Gedenkstätte gehören heute der Ostfriesischen
Landschaft und sind als Land-schaftsschutzgebiet ausgewiesen (AUR 005
Upstalsboom und Umgebung, Größe 6 ha). Die Pyramide gilt heute als das Symbol
für die friesische Freiheit.
In dem ca. 400 ha großen Gebiet im Umkreis von etwa einem Kilometer um den
Upstalsboom entstand in den letzten Jahrhunderten eine der dichtesten und am
besten erhaltenen Wallheckenlandschaften Deutschlands. Die meisten
Flurstücksgrößen liegen bei etwa 0,5 – 1,5 Hektar, zahlreiche Parzellen sind
sogar nur 20-30 m breit. Der besondere Wert dieser Wallheckenlandschaft liegt
einerseits in der hohen Wallheckendichte: Im abgegrenzten Gebiet liegen noch
ca. 50 km Wallhecken. In den letzten 100 Jahren verschwanden lediglich 10 –
15 % der Wallhecken.
Damit ist die Wallheckenlandschaft um den Upstalsboom nahezu vollständig
erhalten und weist eine über Jahrhunderte reichende Kontinuität auf. Im
Vergleich zu anderen Wallheckengebieten ist die Landschaft zudem geprägt durch
einen hohen Anteil an sehr alten (bis zu 1000 Jahre) Gastringwällen. Auf
dem Luftbild ist dies sehr deutlich an den unregelmäßigen, meist krummen
Strukturen erkennbar. Auf diesen zahlreichen Gasten befinden sich
bodenkundlich und archäologisch wertvolle Plaggeneschböden.
In dem Gebiet um den Upstalsboom wurden noch ein Dutzend weitere eiszeitliche
Pingos entdeckt und derzeit untersucht. Ein Pingo (Plural: Pingos; Inuktitut
für Hügel) ist eine isoliert stehende, rundliche Bodenerhebung (bzw. ein Hügel)
in Gebieten mit Permafrost, die durch eine im Boden befindliche Eislinse
entsteht. Ein Pingo besteht aus einem Eiskern (einer Eislinse aus reinem Eis)
und dem darüber lagernden, durch die Eislinse angehobenen Erdreich. Pingos
bildeten Gewässer aus, die meist später vermoorten. Die erhöht liegenden,
hochwassersicheren Ränder wurden bereits in frühester Zeit besiedelt. Größte
Pingo-Ruine ist im Gebiet das Doove Meer, an dem von der Ostfriesischen
Landschaft bereits Pollenanalysen durchgeführt wurden. Auf ihrem mit 5 m ü. NN
höchsten Randpunkt liegt der Upstalsboom. Unter anderem wird vermutet, dass der
Ort Rahe auf eine Besiedlung eines erhöhten Pingorandes zurückgeht. Aufgrund
zahlreicher historischer Funde und der besonderen geologischen Struktur der
Landschaft werden in dem gesamten Gebiet noch zahlreiche weitere
urgeschichtliche Siedlungsstätten vermutet.
Diese kleinteilige Mosaiklandschaft wird auch heute noch von der
Grünlandnutzung dominiert. In den letzten Jahrzehnten sind zudem vielfältige
Maßnahmen zur ökologischen Weiterentwicklung dieser Landschaft durchgeführt
worden. Ehemals beseitigte Wallhecken wurden durch neue ersetzt (bis heute 3348
m) und einige der alten durch das Wallheckenprogramm der Ostfriesischen
Landschaft gepflegt. In der lehmigen Eheniederung wurden zahlreiche kleinere und
auch größere naturnahe Flachgewässer angelegt. Außerdem entstanden
etliche neue Streuobstwiesen mit mehr als 300 Hochstämmen aus über 80
alten regionalen Sorten. Zu dieser lebendigen Kulturlandschaft gehören auch ein
Arche-Hof mit alten ostfriesischen Haustierrassen und ein Bio-Sanddornanbau.
Die etwa 450 ha große historische Kulturlandschaft wird begrenzt durch die
Wasserläufe Sandhorster Ehe, Ringkanal und den Ems-Jade-Kanal sowie die
Siedlungsgebiete der Stadt Aurich. Mit dem grenzüberschreitend bekannten
Upstalsboom, der intakten, mehrere jahrhundertealten und außerordentlich dichten
Wallheckenlandschaft, den kulturhistorisch bedeutsamen Plaggeneschböden (Boden
des Jahres 2013) sowie der besonderen naturschutzfachlichen Bedeutung werden aus
unserer Sicht alle Voraussetzungen zur Ausweisung eines Nationalen
Naturmonumentes erfüllt.